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bedeutete auch gleichzeitig, Katrin endgltig aufzugeben.
Selbst wenn die Buchenfelder sie nicht umbrachten, wrde
er sie verlieren.
Tobias blickte den dunkelgrauen Schatten an, in den sich
Katrins Gestalt vor dem Fenster verwandelt hatte, und doch
schien dieser Augenblick Ewigkeiten zu dauern. Dies war die
endgltige Entscheidung. Jetzt, in diesem winzigen, zeitlosen
Moment mute er den Schritt in die eine oder andere Rich-
tung tun, der alles nderte. Er mute sich entscheiden: fr
seinen Glauben - oder fr Katrin.
Warum blieb fr solch wichtige Entscheidungen immer so
Sandini Sammlung
entsetzlich wenig Zeit? dachte er verzweifelt. Warum lie
ihm das Schicksal nicht eine kleine Frist, sich darber klar-
zuwerden, was er tun sollte, der Logik und dem, woran er
glaubte und wofr er bisher gelebt hatte, zu folgen, oder der
Stimme seines Herzens?
Du hast sie gesehen, sagte Katrin pltzlich.
Sie sprach sehr leise und ohne ihn anzublicken. Ihre Worte
schienen in der Dunkelheit zu versickern, ehe sie ihn erreich-
ten. Ihre Stimme war vllig ausdruckslos. Da war keine
Furcht, keine Panik - nichts. Und doch war es gerade diese
Ruhe, die die Entscheidung brachte. Der fast heitere Ton in
ihrer Stimme war der Fatalismus eines Menschen, der begrif-
fen hatte, da es vorbei war. Sie hatte nicht gehrt, was der
apokalyptische Reiter am anderen Ende der Stadt gesagt
hatte, aber sie wute, da sie verloren hatte und es nichts
mehr gab, was sie noch retten konnte.
Was geschieht hier, Katrin? fragte Tobias. Er trat hinter
sie und hob die Hnde, um ihre Schultern zu berhren,
erstarrte aber dann zur Reglosigkeit und blickte an ihr vor-
bei aus dem Fenster. Er glaubte noch immer, das bleiche
Knochengesicht mit den leeren Augenhhlen zu sehen, das
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fr alle Zeiten erstarrte Totenkopfgrinsen, das nun nicht
mehr nur das bedeutungslose Lcheln eines Totenschdels
war, sondern ihm galt, ein hmisches Hohnlachen, das ihn
verspottete, ihm seine eigene Kleinheit und Machtlosigkeit
gnadenlos vor Augen hielt.
Wir mssen weg, Katrin, sagte Tobias leise.
Ein paar Momente vergingen, in denen sie sich nicht
rhrte; dann drehte sie sich ganz langsam herum und sah ihn
an. Und trotz des bleichen Lichtes in der Zelle erkannte
Tobias den unglubigen Ausdruck auf ihrem Gesicht.
Du -?
Du kannst mir alles spter erklren, unterbrach er sie.
Jetzt ist keine Zeit mehr zu verlieren. Ich bringe dich hier
weg.
Du ... du weit nicht, was du da sagst, flsterte Katrin
verstrt. Aber gleichzeitig loderte auch eine jhe, verzwei-
felte Hoffnung in ihren Augen auf. Trotzdem fuhr sie fort:
Sie werden uns beide tten.
Vielleicht, antwortete Tobias hastig. Aber sie werden
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ganz bestimmt dich tten, wenn du hierbleibst. Du hast sie
gesehen, nicht wahr?
Katrin nickte.
Und du weit auch, mit wem sie sich getroffen haben?
Katrin nickte abermals.
Dann komm endlich, sagte Tobias. Ich wei nicht, wie-
viel Zeit uns noch bleibt. Er streckte die Hand aus, um
Katrins Arm zu ergreifen, aber sie entzog sich seiner Bewe-
gung und wich ein Stck von ihm zurck. Nein, sagte sie.
Sie ... sie werden uns niemals entkommen lassen. Ich
werde sterben. Bring du dich in Sicherheit. Sie werden dir
nichts tun, wenn du mich zurcklt. Sie haben keinen
Streit mit dir.
Aber ich mit ihnen, erwiderte Tobias grob. Ich kann
dich nicht hier lassen, Katrin. Ich bin fr dich verantwort-
lich. Ich wre es auch, wenn du nicht die wrst, die du bist.
Einen Moment lang versuchte er sogar, sich einzureden,
da er die Wahrheit sprach; da er dasselbe fr jede andere
Frau getan htte - aber natrlich stimmte es nicht. Bei jeder
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anderen htte er getan, was schon lange seine Pflicht gewe-
sen wre, nmlich Buchenfeld zu verlassen und sich auf den
Weg zu machen, um Hilfe zu holen und diese teuflische Ver-
schwrung wider Gott und die Kirche zu zerschlagen.
Aber Katrin war nicht jede andere. Und er wute pltz-
lich mit unerschtterlicher Sicherheit, da es richtig war,
was er tat. Wenn er sie verriet, dann verriet er nicht nur sich
selbst, sondern alles, woran er jemals geglaubt hatte. Denn
was war der Glaube an Gott anderes als Liebe? Und welche
grere Snde konnte es geben, als diese Liebe zu verraten,
nur weil er Angst um sein eigenes jmmerliches Leben hatte?
Ich liebe dich, flsterte er. Die drei Worte kosteten ihn
unendliche berwindung. Er hatte sie niemals zuvor in sei-
nem Leben selbst ausgesprochen, ja, sie hatten ihn, wann
immer er sie hrte, mit einem unangenehmen Gefhl erfllt,
waren ihm kindisch und pathetisch vorgekommen. Und
doch waren sie alles, was zhlte. Vielleicht das einzige, was
dem menschlichen Leben einen Sinn gab. Es war nicht wich-
tig, irgend etwas zu tun. Es war nicht wichtig, die Welt zu
verndern oder das Schicksal der Menschen. Es war nicht
einmal wichtig, geliebt zu werden. Alles, was zhlte, war,
Sandini Sammlung
Liebe fr einen anderen Menschen zu empfinden - und
danach zu handeln.
Ich wei߫, antwortete Katrin. Sie kam nher, schlo ihn
kurz in die Arme und kte ihn zart. Es war nur ein Hauch,
der seine Lippen berhrte. Er fhlte in diesem Moment
kaum mehr als eine flchtige Berhrung, und doch besie-
gelte dieser Ku den Pakt, den sie stumm miteinander
geschlossen hatten, endgltig.
Tobias ergriff ihre Hand und fhrte sie aus der Kammer.
Diesmal fiel es ihm leichter, den Weg durch den dunklen
Raum zu finden. Seine Augen hatten sich an das schwache
Licht gewhnt. Trotzdem stie er mehrmals im Dunkeln
irgendwo an, und auch Katrin stolperte und wre beinahe
gestrzt, htte er sie nicht gedankenschnell aufgefangen. Sie
erreichten die Treppe. Tobias blieb einen Moment stehen,
um zu lauschen, nickte Katrin wortlos zu und ging voraus.
Das Haus war so still wie vorhin, als er gekommen war,
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und auch auf der Strae regte sich nichts. Katrin wollte sich
unwillkrlich nach links wenden, der schmalen Strae zum
Flu und dem Wald zu, aber Tobias schttelte den Kopf und
deutete in die entgegengesetzte Richtung. Der Himmel glhte
noch immer dunkelrot im Widerschein Hunderter von
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